Pressemitteilung
Der Präsident des Sächsischen Städte- und Gemeindetages, Oberbürgermeister Bert Wendsche aus Radebeul, fühlte sich bei der Vorstellung des Gemeindefinanzberichts Sachsen 2022/2023 heute ein bisschen an das Schicksal der trojanischen Seherin Kassandra erinnert. Diese sah kommendes Unheil zwar voraus, Gehör fand sie aber nicht:
„Wie bereits bei der Vorstellung des letzten Gemeindefinanzberichts im Herbst 2020 befürchtet, mussten die sächsischen Kommunen 2022 deutlich mehr ausgeben als sie eingenommen haben. Folge war ein deutliches Finanzierungsdefizit von 173 Mio. Euro. Das geht auf den unterfinanzierten Finanzausgleich 2021/2022 und zu geringe Zuweisungen aus dem Staatshaushalt zurück. Auf beide Entwicklungen hatten wir im Herbst 2020 hingewiesen und entsprechende Anpassungen eingefordert. Leider sind unsere Rufe ungehört verhallt.“
Zur Jahresmitte 2023 stieg das Defizit trotz höherer FAG-Zuweisungen in den Kernhaushalten auf knapp 250 Mio. Euro an und 2024 wird sich die Situation weiter verschlechtern. Wendsche verwies darauf, dass man den kommunalen Finanzausgleich 2023/2024 zwar gemeinsam mit dem Freistaat erheblich aufgestockt habe. Der Fokus müsse zukünftig aber auch auf die Zuweisungen und Zuschüsse aus dem Staatshaushalt gelegt werden.
„Wir sollten 2024 für eine ehrliche Bestandsaufnahme und eine verbesserte Kommunalfinanzierung nutzen. Personalkosten und Inflation entwerten zusätzliche Einzahlungen. Die sozialen Leistungen der Kommunen stiegen allein im ersten Halbjahr 2023 um mehr als 15 Prozent gegenüber den ersten sechs Monaten 2022 an. Trotz Weiterleitung von Bundesmitteln und außerordentlicher Landeszuweisungen sind wir in allen Ebenen auf „Defizitkurs“. Die Kommunen müssen handlungsfähig bleiben, um ihre aktuellen Aufgaben erfüllen und die Infrastruktur erhalten zu können. Wir fordern daher zusätzliche Flüchtlingskostenerstattungen und Integrationskostenzuschüsse aus den zwischen dem Bundeskanzler und den Ministerpräsidenten vereinbarten Bundesmitteln, eine kommunale Investpauschale und die überfällige Dynamisierung der Kita-Pauschale für das Jahr 2024. “
Das Autorenteam des Gemeindefinanzberichts um Prof. Dr. Thomas Lenk von der Universität Leipzig bestätigt diese Einschätzung.
„Wir können anhand der Daten klar erkennen, dass die sächsischen Kommunen sparsam wirtschaften. Allerdings hat sich die Einnahmeseite von der allgemeinen bundesweiten Entwicklung ein Stück weit abgekoppelt. Der Freistaat Sachsen hat nach enormen Hilfen im Corona-Jahr 2020 die finanzielle Unterstützung für die Kommunen in 2021 und 2022 stark zurückgefahren.“
Dr. Mario Hesse, der ebenfalls am Bericht mitgearbeitet hat, ergänzt:
„Die Kommunen in Sachsen galten lange Zeit als ‚Musterknaben‘ in Deutschland. 2022 lagen sie bei vielen finanziellen Indikatoren eher im Mittelfeld oder schlechter.“
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